Ist die Tudor Black Bay 58 die perfekte Uhr?
Wer sich eine Uhr gekauft hat, der kauft sich wahrscheinlich auch die nächste. Je mehr man lernt, desto mehr kann man wertschätzen, desto feiner wird der Geschmack. Die Verfeinerung dieser Vorlieben lässt sich auf fünf gängige Kategorien herunterbrechen, die zahlreiche Kenner edler Uhren teilen – und zufällig passt die Black Bay 58 von Tudor in alle von ihnen.
39 mm Gehäusegröße
Handgelenke – und auch Uhren – gibt es in allen Formen und Größen, doch in der kollektiven Wahrnehmung der Uhrenkäufer-Community existiert ein optimaler, absolut perfekter Durchmesser, den ein Gehäuse haben sollte. Das durchschnittliche Handgelenk misst rund achtzehneinhalb Zentimeter im Umfang und besitzt in etwa die Form eines abgeflachten Zylinders; hinzu kommt über ein Jahrhundert an Armbanduhr-Konventionen, aus denen sich der heutige Stand der Dinge entwickelt hat. Das Ergebnis sind jene 39 mm (plus/minus einen Millimeter), die als perfekte Uhrengröße gelten.
Zur Einordnung: Einige der besten je hergestellten Uhren waren 39 mm groß. So zum Beispiel die Omega Speedmaster von 1957 und die Royal Oak von 1972. Gewährt man einen Millimeter mehr oder weniger, so sind auch die Zenith El Primero von 1969 und natürlich die Rolex Submariner dabei.
Diese Größe erzielt vermutlich ein optimales Gleichgewicht zwischen optischem Eindruck einerseits sowie Tragekomfort und Zweckmäßigkeit andererseits. Da die ursprüngliche Black Bay dafür kritisiert wurde, ein Stückchen zu groß zu sein, skalierte man die 58er auf exakt 39 mm herunter. In Kombination mit gleichermaßen miniaturisierten Proportionen einschließlich einer Dicke von unter 12 mm und einem schmaleren Armband erfüllt die 58er recht treffend das erste Kennzeichen einer perfekten Uhr.
Hauseigenes Uhrwerk
Betrachtet man die Rolex Submariner, so mag es scheinen, als hätte sich in der Uhrenbranche im Laufe des letzten Jahrhunderts nicht viel geändert – doch das ist sehr, sehr wohl der Fall. Neben einer Verlagerung von Technologie hin zu Luxus gab es auch die Revolution von der Taschenuhr zur Armbanduhr sowie die Umstellung auf moderne Werkstoffe wie Silizium, komplexe Legierungen und Keramik.
Eine Veränderung, mit der Sie möglicherweise nicht ganz so vertraut sind, ist die Entwicklung des hauseigenen Uhrwerks. Für uns stellt das hauseigene Uhrwerk heutzutage die Krönung eines Uhrenunternehmens dar, doch das war nicht immer so.
Noch in den 1970er Jahren war es relativ unüblich, dass ein Uhrenhersteller seine eigenen Bauteile fertigte. Heuer bezog sein Monaco-Gehäuse aus einem Zuliefererkatalog; Rolex importierte seine Kaliber vom Schweizer Uhrwerkhersteller Aegler; selbst Patek Philippe verwendete routinemäßig Uhrwerke von Jaeger-LeCoultre, Lemania und dergleichen.
Doch die Technologie hat sich gewandelt und die Verfügbarkeit von computergestütztem Design und CNC-Bearbeitung nimmt bei der Entwicklung und Produktion eines Uhrwerks einen großen Teil der Routinearbeit ab. Das heißt ganz gewiss nicht, dass es leicht oder kostengünstig wäre – aber es ist zugänglicher und weniger zeitaufwändig, da sich die geschulten handwerklichen Aufgaben auf Verzierung und Montage beschränken. Für Marken wie Tudor stellt dies eine so junge Entwicklung dar, dass man sich noch erinnern kann, wie vor nicht allzu langer Zeit ein eingekauftes Uhrwerk zu einem hauseigenen wurde. Die Ursprünge des Kalibers MT5402, das exklusiv für das Innere der 58er gebaut wurde, lassen sich bis zum ersten hauseigenen Tudor-Uhrwerk aus dem Jahr 2015 zurückverfolgen – und sogar bis zum Breitling-Kaliber B20, wo es nun ebenfalls eingesetzt wird.
Vermächtnis als Grundlage
Tudor, wie man es heute kennt, gibt es zwar erst seit 2010, als der Heritage Chronograph die angeschlagene Marke neu erfand, aus ziellosen Wirren herausführte und zu der frischen, begehrten Alternative machte, die sie heute ist. Die Geschichte reicht jedoch deutlich weiter zurück – bis 1926. In wenigen Jahren wird die Uhrenmarke Tudor einhundert Jahre alt sein.
Und nicht nur das: Es handelte sich nicht um den ersten Rodeo-Ritt von Tudor-Gründer Hans Wilsdorf. Vielleicht ist Ihnen dieser Name vertraut – er sollte es sein, denn er war der Mann, der beschloss, Schweizer Aegler-Uhrwerke nach London zu importieren, mit einem Gehäuse zu versehen und unter dem Namen Rolex zu vertreiben.
Tudor war Wilsdorfs Möglichkeit, einen neuen Markt zu erschließen und seine Rolex-Uhren mit einem günstigeren Uhrwerk für weniger Geld zu verkaufen. Doch seine Standards waren so hoch, dass Tudor-Uhren trotzdem gut genug für die Streitkräfte waren – im Einzelnen für die französische, die US-amerikanische, die kanadische, die südafrikanische, die jamaikanische, die argentinische und sogar die israelische Marine.
Was als Kassenschlager im unteren Marktsegment gedacht war, wurde zu einer ganz eigenen Sache, die sich ein eigenes Vermächtnis und eine eigene Geschichte erwarb, von der ihre Uhren bis heute inspiriert werden. Uhren und Vermächtnis gehen Hand in Hand – und die 58er hat eine Handvoll davon.
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Dieser Tage erscheint alles absurd teuer. Häuser, Autos, Kleidung – alles steigt im Preis und es sieht nicht danach aus, als würden wir in absehbarer Zeit Glück haben. Vor diesem Hintergrund wirkt der Einzelhandelspreis von 2560 £ für die Tudor Black Bay 58 atemberaubend.
Schlüsseln wir es auf: Für 2560 £ bekommen Sie eine bis 200 m wasserdichte Edelstahl-Taucheruhr. Diese besitzt einen Saphirkristall, ein Armband mit ausgezeichnetem Verschluss, ein hauseigenes Kaliber mit 70-stündiger Gangreserve dank dem bidirektionalen Rotor sowie eine frei gefederte Unruh mit justierbarer Masse und Siliziumfeder – das alles hergestellt von einer Tochtermarke der mächtigen Firma Rolex … für 2560 £. Wenn Sie sich alternativ für das Riemenarmband entscheiden, sind es nur 2340 £!
Zum Vergleich: Die Rolex Submariner ohne Datumsanzeige, die engste Verwandte der 58er, kostet 5750 £. Das ist zweieinviertelmal so viel! Ist es zweieinviertelmal so viel Uhr? Selbst die neue Seamaster Professional von Omega kostet 3520 £, und das mit Gummi-Armband. Fällt Ihnen irgendetwas ein, das Ihnen für diesen Preis so viel bietet wie die Black Bay 58?
Symbolträchtiges Aussehen
Es ist ja offensichtlich: Die Black Bay 58 sieht aus wie eine Rolex Submariner. Das überrascht auch nicht, denn die ursprüngliche Tudor von 1958, von der sie inspiriert ist, beruhte auf einer Rolex Submariner. Das mag zwar eine recht langatmige, streberhafte Erklärung provozieren, die sich vielleicht ein Arbeitskollege mit dem lockeren Satz „Nette Rolex!“ unbeabsichtigt einhandelt, hat aber auch seine Vorteile.
Nehmen wir beispielsweise an, Sie wollten sich eine Uhr kaufen, die wie diese Black Bay 58 aussieht, aber den Schriftzug „Rolex“ auf dem Zifferblatt trägt. Nichts im aktuellen Rolex-Katalog entspricht diesen Wünschen; letztendlich würden Sie Ihren Blick auf eine Uhr richten, die Sie wahrscheinlich rund 50.000 £ kosten würde und ein halbes Jahrhundert alt wäre.
Denn anders als der ernste Mr. Rolex hat sich Tudor dazu entschieden, mit seinen Designs ein wenig verspielter zu sein, um einmal sämtliche Haute-Couture-Designer dieser Welt zu zitieren. Rolex ist vorangeschritten, die Zukunft im Auge; bei Tudor hat man einen Blick zurückgeworfen und Gefallen an dem gefunden, was man sah.
Sie bekommen also ein Nietenarmband, das, wenn auch rein ästhetisch, absolut glaubwürdig aussieht. Es gibt keine Kronenschützer, was weniger praktisch ist, doch ihr Fehlen ermöglicht es der großen Krone, so bequem an der Seite des Gehäuses zu sitzen. Eine keramische Lünette wäre deutlich kratzfester, aber Aluminium strahlt eine reichhaltige Wärme aus. Auch auf die Gefahr hin, wie ein verschrobener alter Mann zu klingen: Es ist nicht wie in den alten Zeiten – und die 58er weiß das.
Da haben Sie ihn also – den unwiderlegbaren Beweis, dass die Tudor Black Bay 58 die perfekte Uhr ist. Nun, sie erfüllt gewiss viele sehr eindrucksvolle Kriterien und es wäre keine leichte Aufgabe, eine Uhr zu finden, die sie übertrifft. Das Lustige ist jedoch: Sie kann all diese Kriterien erfüllen und absolut goldrichtig für Sie sein – oder aber sie löst vielleicht absolut gar nichts aus. Doch das ist ein Faktor des menschlichen Gehirns, also eine ganz andere Geschichte.
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